DEGAM präsentiert Mogelpackung erster Güte

Ambulantes Pflichtquartal und Abschlussprüfung im Fach Allgemeinmedizin sollen Wahlfreiheit begrenzen

 

„Das ist alter Wein in neuen Schläuchen“ – so kommentierte Dr. Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes, den jüngsten Vorstoß der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) zur Reform des Medizinstudiums. Nach dem vehementen Widerspruch von Medizinstudierenden, Verbänden und Fachgesellschaften rückt DEGAM-Präsident Prof. Dr. Ferdinand Gerlach zwar von der expliziten Forderung nach einem Pflichtquartal Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr (PJ) ab, schlägt stattdessen aber ein ambulantes Pflichtquartal in vertragsärztlichen Praxen und eine obligatorische mündlich-praktische Prüfung im Fach Allgemeinmedizin im abschließenden Staatsexamen (M3) vor. „Es gehört schon eine Menge Chuzpe dazu, diese Mogelpackung erster Güte als Kompromiss zu bezeichnen, wie es die DEGAM nun getan hat. Die M3-Prüfung im Fach Allgemeinmedizin soll die Studierenden dazu zwingen, das ambulante Pflichtquartal in einer allgemeinärztlichen Praxis zu absolvieren. Das ist dann nichts anderes als ein neuer Pflichtabschnitt im PJ – nur diesmal durch die Hintertür einer obligatorischen Abschlussprüfung“, sagte Botzlar.

 

Die Idee eines ambulanten Pflichtquartals in Verbindung mit einer Abschlussprüfung im Fach Allgemeinmedizin hatte der DEGAM-Präsident bereits bei der Expertenanhörung zum Masterplan Medizinstudium 2020 im September vergangenen Jahres ins Gespräch gebracht. Wenig später schloss sich auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung dieser Forderung an. Enttäuscht zeigte sich der 2. Vorsitzende des Marburger Bundes von der Haltung des Hartmannbundes, der einer Quartalisierung des Praktischen Jahres das Wort rede und eine Aufteilung des PJ in zwei Pflicht- und zwei Wahlquartale befürworte. „Der Marburger Bund lehnt eine Quartalisierung des PJ ab. Die bestehende Tertialstruktur des Praktischen Jahres hat sich bewährt. Die Studierenden erhalten Einblick in zwei wichtige Bereiche der Medizin – Innere Medizin und Chirurgie –, die auch für alle anderen Fachgebiete von großer Bedeutung sind. Das Wahltertial ermöglicht es, eigenen fachlichen Interessen außerhalb der Pflichttertiale nachzugehen und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten auszuloten. Eine weitere Aufgliederung des PJ in Quartale würde die Dauer der einzelnen Abschnitte verkürzen und damit zugleich die Zeit zum praktischen Lernen im jeweiligen Fachgebiet reduzieren“, so Botzlar.

 

Klar ist auch, wie die Medizinstudierenden über neue Obligatorien im Medizinstudium denken: Drei Viertel (74%) halten eine stärkere Einbindung der Allgemeinmedizin in das Studium für nicht notwendig, wie jüngst eine Umfrage unter Medizinstudierenden im Marburger Bund ergab (MB-Studi-Barometer 2016). Auf besonders große Ablehnung stößt die Forderung nach einem Pflichtabschnitt Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr: 86 Prozent der Medizinstudierenden sind dagegen, nur 14 Prozent sind dafür. Auch der Vorschlag einer obligatorischen Prüfung im Fach Allgemeinmedizin am Ende des Studiums wird von drei Viertel der Medizinstudierenden (75%) verworfen.

 

Gegen die Einführung eines PJ-Pflichtabschnitts in der Allgemeinmedizin und für die Stärkung des Wahlfaches Allgemeinmedizin durch Nutzung freiwilliger Anreizsysteme hat sich in der vergangenen Woche auch der 119. Deutsche Ärztetag in Hamburg ausgesprochen. „Zu einem guten Arzt werden angehende Mediziner durch eine breit gefächerte Ausbildung und nicht durch verpflichtende Abschnitte in der Allgemeinmedizin“, heißt es in der Entschließung des Ärzteparlaments. 

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